Das Referat ging aus einem 2018 gegründeten Arbeitskreis von drei Studierenden aus den Erziehungswissenschaften namens ‚Klassismus an der Hochschule Marburg‘ hervor und wurde im Wintersemester 2019/2020 in ein Referat umgewandelt. Der SoFiKuS stellt somit das zweite Anti-Klassismus-Referat Deutschlands. Das erste Anti-Kla Referat namens FikuS aus Münster unterstützte uns freundlicherweise bei unserer Gründung.
Zu Beginn war der SoFiKuS allerdings kein autonomes Referat. Wir mussten uns mit einem diffusen Status der Teil-Autonomie zufrieden geben. Teil-Autonomie ist eine Art Autonomie auf Probe, bei der dem Referat nur die Hälfte des eigentlichen Haushaltes zustand. Auch die Vernetzung mit anderen autonomen Referaten wurde so erschwert. Außerdem ist es dem Student*innenparlament möglich, teil-autonome Referate wieder abzuschaffen. Am 22.11.23 erhielten wir endlichen unsere Autonomie vom Student*innenparlament.
Es gab mehrere Gründe für den Aufbau des SoFiKuS. Wie der Bildungstrichter veranschaulicht, hat die Klassenherkunft und/oder der -Status weiterhin einen großen Einfluss auf die Bildungsbiographie eines Menschen. Personen aus der Armuts- und Arbeiter*innenklasse studieren sehr viel seltener als Akademiker*innenkinder und werden in unserem Bildungssystem systematisch benachteiligt. Der SoFiKuS setzt sich daher für mehr soziale Gerechtigkeit im Bildungsystem ein. Im Interview werden die Beweggründe für den SoFiKuS von Ole, einem unserer Gründer, erklärt:
„Ole, einer unserer Referent*innen, hat ein Seminar zum Thema Diskriminierung besucht, in dem eine Kleingruppe ein Privilegien-Spiel zum Thema Klasse durchgeführt hat. Dabei wird eine Aussage in den Raum gestellt – zum Beispiel: »Eure Eltern besitzen Immobilien« –, und diejenigen, die dieser zustimmen können, gehen einen Schritt nach vorne. Nach der zehnten Aussage stand er mit einer weiteren Person ganz hinten. Das hat ihn sehr getroffen. Zur selben Zeit erlebte Ole einen Vorfall in der Fachschaftenkonferenz (FSK), einem Gremium der studentischen Selbstverwaltung. Ein Kommilitone hatte dort spontan den Antrag eingebracht, im Anschluss an das Frauenplenum ein Arbeiter*innenkinderplenum einzuberufen. Der Vorschlag führte überraschend zu einer Eskalation, weil er als Angriff auf das Frauenplenum gewertet wurde und nicht als nachvollziehbares Anliegen einer im universitären Kontext benachteiligten Gruppe (vgl. NN 2019)“ (Seeck | Theißl, 2020).
An diesem Zitat als auch an der Tatsachen, dass wir uns zuerst mit einer Teil-Autonomie zufrieden geben mussten, sollte klar werden, dass Klassismus als Diskriminierungsform häufig nicht anerkannt wird und die Probleme von Betroffenen bagatellisiert werden.
Zudem waren die Gründer*innen des SoFiKuS mit der Arbeit von Arbeiterkind(dot)de nicht zufrieden. In unserem Antrag auf Autonomie argumentieren wir:
„Arbeiterkind(dot)de [sic!] ist nach Selbstaussage eine nicht-kommerzielle und unpolitische Organisation. Das bedeutet, sie setzen sich politisch nicht für ein weniger selektives Bildungssystem bzw. für eine weniger sozial ungleiche Hochschulstruktur ein. Es reicht aus unserer Sicht aber nicht aus, die Symptome struktureller Diskriminierung abzufedern. Die Ungleichheit bedingenden Strukturen müssen zugleich immer mit benannt und bekämpft werden. Dies tut Arbeiterkind(dot)de [sic!] nicht. Das macht betont politische und selbstorganisierte Strukturen von Studierenden mit nicht-akademischer (Bildungs-)Herkunft an der Philipps-Universität Marburg aus unserer Sicht notwendig.“
Der SoFiKuS versteht sich also hingegen als politische Interessensvertretung für Betroffene. Wir wollen nicht nur die Symptome von Klassismus behandeln, sondern auch dessen Ursachen bekämpfen. Im Zuge unserer Arbeit entwickeln wir daher eigene Werte und politische Forderungen, die auf strukturelle Veränderungen und Systemkritik abzielen.
In unseren Veröffentlichungen kannst du noch mehr über den SoFiKuS erfahren.