Statement des AStAs zum Koalitionsvertrag

Statement bzgl. des Koalitionsvertrags CDU/SPD Hessen 2023

Am Donnerstag, 18.01. 2024 fand die konstituierende Sitzung des hessischen Landtags statt, in welcher Boris Rhein und sein Kabinett gewählt worden sind. Wenn man ein Blick auf die Besetzung der Minister*Innen, fällt nicht nur die geringe Flinta-Quote von 27%, sondern auch die fragwürdige Besetzung der Ministerien. Vor allem bei Wahl von Timon Gremmels als Wissenschafts-/ und Kulturminister stellen wir uns einige Fragen. Welche Qualifikationen besitzt er im Bereich der Wissenschaftspolitik, war er zuletzt im Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie im Bundestag.

Doch auch der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD lässt unsere Befürchtungen wahr werden: Für Studierende stehen praktisch keine Verbesserungen an, die Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung werden nicht verbessert. Die Viertelparität (jede der vier Statusgruppen besitzen die gleich Anzahl der Stimmen) einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, bessere Arbeitsbedingungen im Mittelbau oder auch ein ernstgemeinter Ausbau sozialer Infrastruktur für Studierende und junge Menschen, fehlen beinahe gänzlich. Die wenigen erfreulichen Pläne der selbsternannten „christlich-sozialen“ Koalition werden dabei von rechtspopulistischen Forderungen überdeckt. Im Folgenden wollen wir unsere Kritik an dem Koalitionsvertrag skizzieren.

Wohnen

Wir schließen uns dem Bündnis Mietenwahnsinn-Hessen darin an, dass der Koalitionsvertrag einige wohlklingende Pläne enthält, die jedoch ziemlich vage bleiben. Genauso kritisieren wir die unzeitgemäße Eigentumsförderung. Wir begrüßen grundsätzlich die Öffnung von Studierendenwohnheimen für Auszubildende. Uns ist aber auch bewusst, dass die Studierendenwerke systematisch unterfinanziert sind und schon jetzt - am Bedarf gemessen - zu wenig und zu teure Angebote machen. Wenn keine systematische Ausfinanzierung der Studierendenwerke erfolgt, wie es der Koalitionsvertrag vermuten lässt, bedeutet der Plan nur eine höhere Belastung der Verwaltungen und eine weitere Verschlechterung des Angebotes für Studierende.


Umwelt

Grundsätzlich kritisieren wir das Verständnis des Klimawandels als ein technisches Problem. So möchte die Landesregierung in die sogenannte "innovative Energieforschung" investieren und damit unter anderem Technologien wie die Kernfusion zu fördern, die von Umweltverbänden seit jeher abgelehnt werden. Der Klimawandel muss als gesellschaftliches Problem anerkannt werden. Anstatt Millionen in unsichere und langwierige Technologien wie die Kernfusion zu investieren, besteht die Notwendigkeit kritische Forschung zu fördern. Diese erwähnt der Koalitionsvertrag jedoch mit keiner Silbe.

Militär/Zivilklausel

Die Infragestellung der Zivilklausel an hessischen Universitäten betrachten wir mit großer Besorgnis. Dies gerade unter dem Vorwand einer "freien Wissenschaft" anzubringen ist zu tiefst widersprüchlich. Nicht nur wurden diese über lange Auseinandersetzungen von demokratischen Bewegungen erkämpft, sondern auch verbirgt die Auflösung dessen die Profitinteressen der hessischen Rüstungsindustrie, die staatliche Forschung sich "umsonst" nutzbar zu machen. Forschungsgelder sollten in kritische Analysen globaler Krisen investiert werden, um zivile Lösungen zu finden, anstatt in die Weiterentwicklung von Waffen und Technologien zum Zwecke der Kriegsführung. Eine selbst geforderte 'Wissenschaft, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist', kann nur mit Zivilklausel erfolgen.

Ausfinanzierung der Universität(en)

Es ist an der Zeit, dass Bildung zur Priorität wird. Wir fordern die Ausfinanzierung unserer Universitäten, damit die Qualität der Lehre nicht immer weiter abnimmt. Teilweise können Professuren nicht mehr nachbesetzt werden, da schlicht die finanziellen Ressourcen fehlen. Ergebnis sind immer weniger Seminare, sodass das Interesse von Studierenden an hessischen Universitäten zu studieren, absinkt. Stattdessen aber, soll die Schuldenbremse weiterhin bestand haben. Das Ergebnis dieser Austeritätspolitik sehen wir auch an der Qualität der Universitätsgebäude. In Marburg ist ein Vorlesungssaal eingestürzt, während in anderen Standorten Gebäude vorsichtshalber geschlossen werden. Diese Situation ist ein Symptom und ein Weckruf für die neue Landesregierung, die Schuldenbremse zu beenden und umgehend umfangreiche Investitionen in unsere Universitäten zu tätigen. Der AStA Marburg ruft die neue Landesregierung dazu auf, diesen Vorfall als Warnsignal zu verstehen und umgehend konkrete Schritte zur Verbesserung der finanziellen Situation der Universitäten in Hessen zu unternehmen.


Wissenschaftliche Monokultur

Durch die fehlende Ausfinanzierung der Universitäten soll nur noch in Universitäten investiert werden, wenn ein "valides und modernes Rücklagenmanagement" vorliegt. Dadurch ist eine ungleiche und einseitige Bildungslandschaft vorprogrammiert. Außerdem ist im Koalitionsvertrag eine komplett einseitige Mittelvergabe vorgesehen, die v.a. technische und ingenieurwissenschaftliche Studiengänge bevorzugt. Andere Studiengänge, die auf Grund von fehlenden Ressourcen, massiv in der Lehre einsparen müssen, bleiben leer aus.

Fehlende Studierendenvertretung

Für Studierende stehen praktisch keine Verbesserungen an, die Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung werden nicht verbessert. Sozialdemokratische Projekte wie die Viertelparität, einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, bessere Arbeitsbedingungen im Mittelbau fehlen ebenfalls gänzlich. Die Mitbestimmung von Studierenden ist zentral bei der Bekämpfung dieser Missstände. Diese spielt jedoch in der christlich-sozialen Koalition keine Rolle.

Genderverbot

Der hessische Koalitionsvertrag schreibt Institutionen wie den Schulen, dem Rundfunk und auch den Universitäten den Verzicht von gendersensibler Sprache vor. Somit zwingt er den Institutionen das generische Maskulinum auf. Nicht nur stellt dies einen Eingriff in die Autonomie der Institutionen dar, es soll auch dort ein Rückschritt stattfinden, wo schon seit Jahren und Jahrzehnten um gendersensible Sprache und Forschung gekämpft wird. Damit ist der Koalitionsvertrag auch ganz im Sinne des rechten Kulturkampfes um die Vorherrschaft des "Mannes" und der konstruierten Geschlechter-Binarität. Der AStA Marburg spricht sich für die Freiheit von Wissenschaft und damit auch der erkämpften Verwendung gendersensibler Sprache aus. Den Versuch von CDU und SPD progressive Entwicklungen mittels autoritärer Vorgaben zurückzuschrauben, verurteilen wir aufs Schärfste.

Migration

Zudem ist der Teil zur "Migrationspolitik" durchzogen von rechten Narrativen. Das Bekenntnis zum Asylrecht stellt eine leere Phrase dar. Nicht nur fordert diese neue "christlich-soziale" Koalition ein Europa der Abschottung, sondern will nun auch eine echte Rückführungsoffensive starten. Außerdem fällt die SPD auf den Mythos der sogenannten Pull-Faktoren rein, die von keiner wissenschaftliche Studie validiert wird. Ergebnis dieses Trugschlusses sind nun Bezahlkarten, die statt Bargeld ausgehändigt werden. Wir dürfen nicht einknicken vor rechten Narrativen, wir fordern eine humane Migrationspolitik. Wir werden nie rechte Narrative reproduzieren. Für uns bleibt der Grundsatz: Kein Mensch ist illegal!

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